5006 Kilometer!

Heute standen die letzten 234 Kilometer auf dem Programm. Der 12e Marathon als Dessert sozusagen.

Bevor ich mit dem heutigen Blogpost anfange, möchte ich Danke sagen. Obwohl ich schlussendlich alleine unterwegs war, ist das Project 5000 das Ergebnis von der Beteilgung ganz vieler Menschen. Seien es das zur Verfügungsgellen von Informationen bei der Planung, Mithilfe bei der Vorbeitung, aktive Unterstützung bei der Reise, Motivation durch Fans und Bekanntmachen der Idee und des Projekts. Ohne all diese Menschen wäre das Abenteuer in dieser Form nicht möglich gewesen. Ich verzichte darauf, einzelne Personen speziell hervorzuheben, da ich sicherlich jemanden vergesse 🙂 Ihr habt es mir ermöglicht, (Grenz)Erfahrungen zu sammeln, die mein weiteres Leben prägen werden. Nicht nur mein Leben wurde verändert, sondern durch die Spenden auch jenes von 60 Menschen in Mosambik, welche schon bald Zugang zu sauberem Trinkwasser haben werden. Für dies möchte ich mich an dieser Stelle recht herzlich bedanken.

Der heutige Tag ging ein wenig angespannt los. Nachdem ich gestern knapp 7 Stunden ohne “Pfupf in den Beinen” gefahren bin, stellte ich mich mental mal auf einen Leidenskampf von 10 Stunden ein. Der Anruf eines Reporters kurz nach der Abfahrt lenkte meine Aufmerksamkeit ein wenig weg vom gestrigen Tag und liess mich auf andere Gedanken kommen. So ging es etwas später als geplant in Storslett trockene Rades los. Nachdem ich etwa eine Stunde unterwegs war, schloss ich mit meinem Körper einen Deal ab: Er lässt mich den heutigen Marathon so gut wie möglich überstehen und er bekommt anschliessend ein paar Tage Ruhe. Er willigte ein. Also ging es entlang des Ufers von Fjorden, Nebenfjorden und Buchten in Nebenfjorden von Nebenfjorden weiter. Obwohl die Luftlinie zum Ziel teilweise nur etwa 60 Kilometer betrug, musste ich aufgrund des Wassers lange Wege nehmen.

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Nach etwa 110 Kilometern war Mittagessen angesagt. Ok, es war schon fast 16:00 Uhr, aber trotzdem war es faktisch ein Mittagessen 🙂 Die erwarteten körperlichen Beschwerden blieben bis dahin noch aus. Leider zeigte mein Rad einige Abnutzungserscheinungen. Insbesondere die Radlager sind durch die vielen Kilometer, Schmutz und Regen langsam “aufgebraucht”. So verlangsamte sich die Fahrt, obwohl es bergab ging. Angesichts der schwindenden Kräfte nicht gerade förderlich. Da ich aber nichts daran ändern konnte, regte ich mich auch nicht darüber auf. Ebenso über den Regen, welcher mich dazu bewegte, die Gore-Tex Active Shell-Kleider anzuziehen. Auf dem Display standen mittlerweile noch 100 Kilometer. Nur noch 100. Die letzten 100 Kilometer, dann ist die Tour zu Ende. Ganz ehrlich: in diesem Moment war ich ein wenig traurig. Darüber, dass die Fahrt durch die absolut fantastische Landschaft zu Ende sein wird. Darüber, dass sich in 100 Kilometer eineinhalb Jahre Vorbereitung in Luft auflösen. Vielleicht hatte ich auch einfach nur Angst, dass ich in 100 Kilometern wieder einfach ein normaler Mensch bin.

Meine Kamera hat inzwischen durch den vielen Schweiss und Regen wieder den Geist aufgegeben. Ich entschloss mich, die letzten 100 Kilometer zu geniessen. Dies machte mich glücklich. Der Regen prasselte auf mich nieder und die Strasse ging steil in die Höhe. Und ich hatte ein Lachen im Gesicht, welches ich nicht mehr los wurde. Ich fühlte mich wie Homer Simpson, der sich Malstifte in die Nasen schob: Für Aussenstehende absolut nicht nachvollziehbar, selber aber vollständig glücklich. Der Regen liess nach, wenn auch nicht ganz. Trotzdem entschloss ich mich, die Regenkleider abzulegen. Soll ich halt ein wenig nass werden. Die Kleider können ja nachher tagelang trocknen, ist ja egal. Hauptsache, nochmals der salzige Geruch des Meeres in der Nase haben, die Rillen der Schneemobile auf der Strasse spüren und den Fahrrwind auf der Haut fühlen.

Und dann, bei Kilometer 4975 kam der Moment, auf welchen ich so lange gewartet habe. Ich war müde, was angesichts der Distanz höchstwahrscheinlich einleuchtend ist. Trotzdem hiess es, die allerletzten Kraftreserven zu mobilisieren und einen Endspurt hinzulegen, der der Tour gerecht ist. Ausruhen konnte ich mich ja nachher genügend. Deshalb kam das Tomorowland-Liveset von DJ Hardwell in die Playlist und ab ging die Post. Ganz ehrlich: Ich wusste gar nicht, dass so viele Körperpartien gleichheitig weh tun können. Von nun an war auf dem Display stets eine Warnanzeige “Herzfrequenz zu hoch” zu sehen. So brauste ich mit bis zu 53 km/h in der kitschigsten Sonnenuntergansstimmung Tromsø entgegen. Und es tat gut, zu sehen zu was der Körper inzwischen fähig ist. 5 Kilometer vor dem Hotel war der Sprint vorbei. Ich spürte, dass ich mit dieser Belastungsintensität kurz davor bin, meine Kniebänder zu zerreissen. Da ich in absehbarer Zeit meine Knie noch benutzen möchte, liess ich es ausrollen und die Sache gut sein. Noch kurz einem Typen die Kamera in die Hand gedrückt für das Abschiedsfoto – er war per Zufall auch ein Schweizer – und die Reise ist vorbei. Erschöpft aber überglücklich kam ich im Hotel an.

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So gehen 28 hochintensive Tage mit unglaublich vielen Hochs und ein paar Tiefs zu Ende. Ich habe unzählige wunderbare Erfahrungen gemacht, viele Sachen gelernt sowie gesehen und wunderschöne Orte entdeckt. In dieser Zeit bin ich nahe an meine körperlichen Grenzen gekommen. Vielleicht bin ich auch ein wenig über mich hinaus gewachsen. Vielleicht gerade auch desshalb, weil ich eben scheitern konnte und ich dann auf mich alleine gestellt bin. Auf jeden Fall fühle ich mich durch das Erlebte inspiriert und gleichzeitig auch geehrt, so etwas mal am eigenen Leib erfahren haben zu dürfen. Auf eine solche Art zu reisen, stets den festen Boden unter sich zu spüren und die Gerüche wahrzunehmen, ist ein Privileg, welches bei weitem nicht viele Menschen haben. Ich kann nur jede und jeden dazu ermutigen, einmal selber so etwas zu machen. Es muss bei weitem nicht so extrem sein, wie ich es getan habe. Doch einmal sich auf etwas einzulassen, bei welchem man vielleicht nicht genau weiss, was einen erwartet und man dabei vielleicht noch etwas riskieren muss, ist definitiv eine Erfahrung wert. Und solange gegenüber dem Ergebnis offen eingestellt ist, kann die Erfahrung und deren Interpretation eigentlich nur positiv sein.

Falls jemand Fragen zum Project 5000 hat oder vielleicht selber einmal so was machen möchte, könnt ihr mich gerne anmailen: simon@project5000.ch

Obwohl die Reise auf dem Velo nun zu Ende ist, geht das Projekt noch ein wenig weiter. Es stehen Pressetermine an, etc. Ihr werdet also noch ein wenig informiert, was hinter den Kulissen noch alles passiert 🙂

Tag 28: Storslett – Tromsø

Storslett - Tromso - Höhenkarte

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