Audax Suisse BRM 200

Ein 212 Kilometer Radrennen rund um den Bodensee als Saison-Auftakt. Fazit: Wunderbar!

Amateur-Radrennen über 200 Kilometer gibt es nicht so viele. Das Audax Suisse BRM 200 ist eines davon. Besser gesagt es ist eine Serie von 200, 300, 400 und 600 Kilometer Rennen. Also eigentlich das ideale, um sich auf ein Transcontinental Race vorzubereiten. Im Angesicht, das ähnliche Rennen wie z.B. die Tortour als Einzelstarter etwa 980 CHF Startgebühr kosten, ist das Audax Suisse mit 35 CHF eigentlich gratis.

 

Weil bereits ab 06:00 der technische Check der Fahrräder und die Startnummernausgabe stattfinden, beschliesse ich einen Tag vorher anzureisen. So kann ich am Morgen gemütlich ein paar Kilometer an den Startpunkt nach Buch SH fahren. Das Wetter ist mit -2 Grad und Nebel für ein 200 km Rennen alles andere als einladend.

Im Gemeindesaal sitze ich an der Wärme neben viele anderen Männern auf Festbänken, die Fahrräder stehen draussen an der Kälte alle schön sauber aufgereiht. Neben Deutsch spricht man in der Halle Englisch, Französisch und Italienisch. Die Fahrer machen fast allesamt einen erfahrenen Eindruck, jeder einzelne hat in seinem Leben höchstwahrscheinlich schon zehntausende Kilometer abgestrampelt. Vorne im Saal steht ein grandioses Frühstücksbuffet. Ideal, um letztmals die Energiespeicher zu füllen.

Nach einer kurzen Instruktion fällt 08:00 der Startschuss. In einem grossen Pulk fahren wir los. Innerhalb von wenigen Minuten hat sich das Feld bereits weit verzettelt.

Da ich es im Vorfeld zeitlich nicht geschafft habe, die GPX-Datei auf mein Garmin-Navi zu laden, fahre ich sozusagen blind. Als Notlösung habe ich die GPX-Datei (und somit) den Weg auf meinem Smartphone. Die grobe Streckenplanung habe ich mit Kabelbindern improvisiert ans Fahrrad gebunden. So ist meine Strategie, dem Leader so lange wie möglich zu folgen, damit ich überhaupt weiss, wohin es geht.

Mit etwa 35 km/h sind wir zu Beginn zügig unterwegs. Die Strecke ist flach, der Nebel liegt überall. Keine Ahnung wo wir sind. Ich fahre in einer Gruppe von etwa 5 Athleten. Aus den GPS-Gründen bin ich ganz zuhinterst. Plötzlich gibt es Panik. Abzweiger verpasst. Alle wenden, gleichzeitig fliegt meine Kette raus. Als sie wieder drin ist und ich wieder nach oben schaue sehe ich nur noch Nebel, die Gruppe ist weg. Das ist natürlich unpassend. Also heisst es die nächsten rund 190 Kilometer alleine zu bewältigen.

Es ist alles flach und neblig. Ich habe keine Ahnung, wo ich bin und folge einfach der Strasse. Am Tag zuvor war ich im Veloplus und habe den Satteldruck messen lassen. So versuche ich auf den nächsten etwa 20 Kilometer einige neue Sitzpositionen aus (von „entspannt“ bis „Liegevelo“). Irgendwann erkenne ich auf der rechten Seite im Nebel den Bodensee. Es ist kalt. Auf dem Display steht nach einer Stunde Fahrzeit immer noch -1°. Meine Füsse sind trotz Schuhwärmern taub, die Hände fühlen sich auch nicht gerade warm an. Doch ich weiss, dass heute irgendwann noch die Sonne rauskommen soll. Und dann bei Meeresburg ist es soweit: Die Sonne scheint! Und wie ich mich an der Sonne erfreue, sehe ich die Gruppe vor mir, wie sie von der schönen Meeresburg ein Foto machen. Diese Gelegenheit lasse ich mir nicht entgehen und überhole alle 4 auf einen Schlag. Ein paar Kilometer weiter stehe ich an einer Kreuzung und weiss nicht weiter. Voller Karacho überholt mich ein Radfahrer mit Startnummer. Ohne gross zu überlegen, packe ich mein Smartphone ein und versuche mich dran zu hängen. Der Radfahrer ist schnell, sehr schnell sogar. Ich schaffe es, in Sichtweite zu bleiben, doch komme ich nicht wirklich ran. Nach ein paar unübersichtlichen Kreuzungen ist der Sichtkontakt weg.

Nach 63 Kilometer gibt es in Immenstaad den ersten Checkpunkt. Kurz sehe ich den Fahrer, welcher mich soeben überholt hat. Hinter mir kommt ein französischsprechendes Zweiterteam (?). Nach ein paar kurzen Worten schwinge ich mich wieder aufs Rad und mache mich auf den Weg Richtung Friedrichshafen. Weit über meinem Kopf fliegt ein Zeppelin – wie passend. Ich greife zu meinem Gel-Beutel und fülle erstmals meine Energiereserven auf.

Kurz vor Bregenz holt mich das Zweierteam vom Checkpoint 1 ein. Wie die wilden fahren sie durch die Stadt. Es wird intensiv gebremst und wieder voll in die Pedale getreten. Rote Ampeln werden ignoriert. Nach ein paar Minuten habe ich das Spiel satt und ich ziehe davon. Als ich ein paar Kilometer wieder nach hinten schaue, sind die Verfolger weg. Nach einem kurzen Blick auf mein Smartphone weiss ich auch warum. Ich fahre komplett falsch. In einem Rennen ist dies natürlich suboptimal. Ich zimmere mir im Kopf kurz die beste Route zusammen und steure den zweiten Checkpunkt an. Nach etwas mehr als 120 Kilometern (plus einigen Zusatzkilometern) treffe ich dort ein.

Die Sonne hat ein wenig aufgewärmt. So ziehe ich meine Mütze und Handschuhe aus und tausche sie gegen leichteres Equipment. Da das Rennen noch rund 100 Kilometer geht, schnappe ich mir noch kurz einen Nussschnecke und ein wenig Zucker-Doping

Ein paar Minuten später sitze ich wieder auf dem Rad. Rasch habe ich zwei andere Radfahrer eingeholt. Diese müssen mich wohl in Bregenz überholt haben. Zusammen fahren wir Richtung Schweizer Grenze. Kurz nach der Grenze trennen sich unsere Wege – sie halten bei einem Bäcker. Also fahre ich alleine weiter.

Die Strasse steigt ein paar Kilometer weiter steil an. Nicht viel, doch genügend, um das Gewicht meiner Satteltasche zu spüren. Als Vorbereitung aufs Transcontinental Race habe ich eine neue Satteltasche gekauft, welche ich nun mal richtig ausprobieren möchte. Oben angekommen, weiss ich, dass dort bald der nächste Checkpoint ist. Der Checkpunkt ist auf einem Parkplatz. Ich fahre den Berg auf der anderen Seite hinunter und finde einen grossen Parkplatz. Doch dieser sieht komplett anders aus als auf der Routenbeschreibung. Also nehme ich mein Smartphone in die Hand und überprüfe den Weg. Oben auf dem Berg hatte es einen Abzweiger. Den habe ich verpasst. Also fahre ich das ganze nochmals hoch.

Etwa 30 Minuten später und nach insgesamt etwa 139 Kilometern stehe ich auf dem Parkplatz. Kurz die Kontrollfragen beantworten und ab geht die Post. Die Aussicht auf den Bodensee ist herrlich. Neben der Strasse hat es noch viel Schnee, da es gestern intensiv geschneit hat. Meine Beine geniessen es, dass es bald darauf ein wenig bergab geht.

Auf der Routeplan steht bei Kilometer 142 in fetten Buchstaben: „WICHTIG: Optimaler Stop, um LETZTMALS neben Strecke Vorräte aufzufüllen“. Da dies Fett gedruckt ist und ich aus Schweden nur zu gut weiss, was es heisst, sich falsch zu verpflegen. Halte ich kurz an und fülle meine Wasserflaschen nochmals auf – und dazu gibt es Milchschnitten (ja, gleich 5 Stück. Schliesslich will ich ja nicht nur die Löcher in den Zähnen füllen…).

Langsam habe ich die Schnauze voll, dass ich bei jeder Kreuzung anhalten, dann das Smartphone hervorkramen und die Strecke anschauen muss. So schaue ich auf dem Navi, wo die nächste grössere Ortschaft ist. Ab jetzt fahre ich auf der Hauptstrasse nach Strassenschildern. Kreuzlingen / Konstanz. Ab geht die Post. Insgesamt mache ich einiges mehr Höhenmeter, doch komme ich gefühlt schneller vorwärts, da ich halt wirklich fahren kann. Mehr schlecht als Recht navigiere ich durch Konstanz. Ein paar Kilometer weiter ist der Radweg gesperrt. So umfahre ich diesen kurz auf der Bundesstrasse bevor ich dann wieder auf den Radweg kann.

Ich merke meine Beine. Nun bin ich schon seit ein paar Stunden unterwegs. Obwohl die Sonne scheint und es 11 Grad warm ist, setzt mir die Kälte mittlerweile doch langsam zu. Nach genau 8 Stunden und einer Minute stehen die 200 Kilometern auf dem Tacho, kurz darauf gibt es in Radolfszell den letzten Checkpunkt. Jetzt folgt noch der Schlussspurt zurück in die Schweiz. Nach knapp 8,5 Stunden treffe ich in Buch SH am Ziel ein.

Zu meiner Überraschung sind da erst eine Handvoll Leute. Durch das schlechte Navigieren hätte ich erwartet, dass mich viel mehr Radfahrer überholt hätten. Mit anderen Fahrern tauschen ich mich ein wenig über das Erlebte aus. Das Ziel-Bier hat sich nach den 212 Kilometer jeder Finisher reichlich verdient!

 

Besten Dank an Thomas von Audax Suisse für die tollen Fotos!

Disziplin Massenstart
Distanz 212 km Rad
Offizielle Zeit TBC
Rang Kategorie / von TBA
Rang Overall / von TBA
Kategorie Keine Kategorien

 

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