Dass ich manchmal ein wenig verrückt bin, ist nichts Neues. Auch, dass ich gute Gelegenheiten gerne am Schopf packe. Doch die heutige Tour war selbst für meine Verhältnisse ein wenig sehr spontan.
Donnerstag Morgen, Feiertag! Kurz vor 5:00 Uhr. Es klingelt an der Tür. Da ich mitten in der Stadt wohne, dachte ich, dass es wohl ein Lausbubenstreich ist. Doch als das Klingeln nicht aufhören wollte, ging ich mal nachschauen. Jemand hatte den Schlüssel vergessen. Es war kurz nach 5:00 Uhr. Um wieder ins Bett zu gehen, war ich zu wach, um etwas zu tun, noch zu müde. Während dem Morgenessen schaute ich mal ins Internet, wann die Sonne aufgeht. Bald. Und schon war der Gedanken da, aus dem Tag eine kleine Tour de Suisse zu machen: Nächstes Ziel Bern.
Nach dem Morgenessen stellte ich fest, dass es regnet – und noch ein paar Stunden weiter regnen wird. Doch mit dem richtigen Material ausgerüstet ist auch dies kein Problem. So startete ich meine Fahrt bei kühlen Temperaturen im Regen in die Richtung Westen. Die ersten paar Kilometer nach Wolhusen sind mir bestens bekannt. Dies ist eine meiner Trainingsstrecken. Kurz darauf erwartete mich ein kleiner Anstieg über etwa 100 Höhenmeter. Ich spürte, dass es doch noch ein wenig früh war und kraxelte mit gemütlichem Tempo den Anstieg hinauf. Je weiter ich ins Entlebuch vordrang, desto höher war ich. Kurz nach Schüpfheim hatte ich gut 400 Höhenmeter gemacht.
Es folgte eine lange Abfahrt durchs Emmental. Vorbei an wunderschönen Häusern folgte eine lange Kurve der Anderen. Auf einer langen geraden Strecke bei Worb, bei welcher die Schienen parallel zur Strasse verlaufen, hatte ich sogar das Glück gegen das berühmte “Blaue Bähnli” ein Rennen zu machen. Ich musste jedoch schon bald feststellen, dass die Maschine ein wenig mehr “Pfupf” hat, als ich in den frühen Morgenstunden.
Und da war es: Das Ortschild Bern. Bei der kurzen Kopfsteinpflaster-Partie durch die Innenstadt kamen mir diverse Erinnerungen von Paris sowie vom diesjährigen Rennen Paris-Roubaix hoch (bei welchem ich die Gelegenheit hatte, in einem Teamcar mitzufahren). Bei diesen nassen Bedingungen wurde es fast ein wenig zu einer Schlitterpartie.
Nach dem obligaten Foto vor dem Bundeshaus ging die Reise zurück nach Luzern. Direkt war mir zu kurz, deshalb wählte ich den Weg via Zofingen, was sich als sehr kluger Entscheid herausstellen sollte. Sobald der richtige Weg aus der Stadt gefunden war, konnte ich von einer schönen Abfahrt durchs Krauchtal profitieren, wo es nach knapp 100 Kilometern ein kleines Sandwich und ein paar Bananen als Stärkung gab. Auch konnte ich (endlich) den Regenschutz in den Rucksack verstauen. Nach der kurzen Pause ging die Reise nach Burgdorf und dann in Richtung Langethal weiter. Als Speedfreak gefiel mir diese Strecke sehr, da es viele lange Geraden und gestreckte Kurven drin hat. So macht es richtig Spass.
Kurz vor Zofingen – oder anders gesagt nach etwa 150 Kilometern – entschied ich mich, den Durchschnittsschnitt noch ein wenig nach oben zu pushen. Also wurde noch ein Gang zugeschaltet und der Endsprint eingeläutet. Petrus schien meinen Gedankengang gelesen zu haben, denn er schob die Wolken auf die Seite. So hatte ich wunderschönen Sonnenschein und mittlerweile trockene Strassen. Je länger ich fuhr, desto mehr merkte ich, dass Kilometerschnitte jenseits der 30er Marke doch ein wenig Kraft kosten als auf einer kleinen Tour. Trotzdem liess ich mir nichts anmerken und liess den einen oder anderen Rennvelofahrer auf der Strecke. Auf der Höhe Sursee wurde das Tempo nochmals erhöht. So erreichte ich auf den letzten 25 Kilometern einen Schnitt von 34.6 km/h – wohlgemerkt dies nach 175 Kilometern in den Beinen. Fast ein wenig stolz, die 200 Kilometer in unter 7 Stunden gefahren zu sein, erreichte ich dann am frühen Nachmittag Luzern.
Die Tour gab mir das Gefühl, dass ich langsam aber sicher die langen Distanzen in den Griff bekomme und weiss, wie die Kräfte eingeteilt werden müssen. Nichts desto trotz, wird es nicht die letzte 200-km Ausfahrt vor dem Start am 14. Juli gewesen sein.