Nach ein paar Stunden Schlaf war der Moment der Wahrheit gekommen. Viele Fragen mussten beantwortet werden: Bin ich fit für nochmals 175 Kilometern? Geht meine Ernährungsstrategie auf? Werde ich nach 100 Kilometern in das berühmte “Loch” fallen? Zeit, die Antworten zu finden.
Die ersten Meter in Luzern waren ziemlich anstrengend, doch nach gut zehn Minuten war ich wieder voll in Fahrt. Via Kriens ging meine Reise nach Westen nach Malters in Richtung Wohlhusen. Nach einem kleinen Anstieg nach Ruswil führten mich die Strassen durch Grosswangen nach Sursee. In der Stadt bei Kilometer 44 war der erste Stopp angesagt. So füllte ich meine Wasserflaschen wieder auf. Rasch bemerkte ich jedoch, dass meine Ernährungsstrategie nicht wie geplant aufging. Also schnappte ich mir noch eine Sonderladung Bananen und Getränke.
Die Strasse führte mich weiter nach Beromünster und Menziken. Irgendwie hatte ich aber Orientierungsprobleme. Obwohl ich die Route wusste, konnte ich mich nicht richtig zurecht finden. Nach einigen unnötigen Abstechern nach Reinach und Beinwil am See fand ich den Weg zurück zum Halwilersee. Bei Kilometer 69 bei Aesch stieg die Strasse steil in den Himmel. Ein weiteres Mal bemerkte ich, dass diese Gangschaltung nicht für Bergstrecken gemacht war. So fehlten mir einige Gänge am Fahrrad. Die nächsten fünf Kilometer waren extrem anstrengend. Als die Höhe dann erreicht war, freute ich mich über die lange Abfahrt nach Muri. Doch die Abfahrt reichte nicht, um die Muskeln zu erholen, denn die Strasse stieg nach Affoltern am Albis wieder gegen den Üetliberg an.
Mit den schlechten Erfahrungen beim Anstieg in Aesch stellte ich mich mental bereits auf noch so einen harten “Climb” ein. Und es waren bereits 95 Kilometer gefahren. Doch irgendwie war der Aufstieg einiges kürzer als erwartet und schon bald war ich in Zürich, wo das Knabenschiessen war. Dieses hat meine Orientierung wiederum ein wenig beeinflusst, da gewisse Strassen gesperrt waren. So verfuhr ich mich erneut komplett – und das obwohl ich Zürich sehr gut kenne. Nachdem der richtige Weg wieder gefunden war, führten mich die Strassen durchs Sihltal nach Langnau am Albis, wo ein Verpflegungspunkt erreicht war. 121 Kilometer waren gefahren.
Nachdem ich wieder aufs Rad gestiegen war, wurde mir bewusst, dass ich höchstwahrscheinlich gerade noch den letzt möglichen Verpflegungspunkt erwischt habe, bevor ich in das ominöse “Loch” gefallen wäre. Ich bemerkte, wie der Körper auf die Ernährung dringend angewiesen war. Nach den paar Orientierungsschwierigkeiten war ich froh, dass ich mich wieder in Territorium befand, in welchem ich mich besser auskenne. So passierte ich Sihlbrugg und fuhr via Baar nach Zug, wo mich die Ufer des Zugersees erwarten. Von dort an fuhr ich die selbe Strecke wie am Tag zuvor. Mit leichtem Rückenwind wurden die letzten Kilometer in Angriff genommen. Nach Arth hatte ich den Motivationsschub des Weekend. Nach 153 Kilometern (beziehungsweise 323 Kilometern) überholte ich eine Gruppe von Rennvelofahrern. Mit diesem Ansporn verflogen die letzten Kilometer wie im Flug. So führte mein Weg nach Immensee und über eine kleine Steigung nach Küssnacht am Rigi. Als ich die Ufer des Vierwaltstättersees erblickte, freute ich mich auf die restlichen Kilometern.
Zuhause angekommen, war ich äusserst froh. Ursprünglich hatte ich 300 Kilometer am Wochenende geplant – es wurde 352 Kilometer. So war mein Grundstein gelegt, um das Project 5000 tatsächlich in Angriff zu nehmen.