Nachhaltiges Radfahren ohne Energie

Nach 25 Kilometern war die Puste draussen. Bis zum Ziel waren es aber noch ein paar Kilometer. Also hiess die Devise: Durchbeissen!

Nachdem ich wunderbar gut geschlafen habe, war ich guten Mutes, dass ich die heutigen 173 Kilometer über zwei Pässe einigermassen über die Bühne kriege. Bei bedecktem Himmel ging es also entlang des Ufers des Altafjords. Hoch und runter. Hoch und runter. Hoch und runter. Irgendwie hatte ich es weniger wellig in Erinnerung, aber die Realität sieht wohl anders aus. Trotz dem guten Gefühl war bereits nach 25 Kilometern und etwa 500 Höhenmetern die Puste draussen. So stand dies nicht auf dem Reiseführer. Egal, das Motto lautet: Vorwärts. Und in diese Richtung gieng es. Zwar langsam, aber konstant.

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Schon seit ich in Norwegen bin, fällt mir auf, dass in gewissen Ländern einen gesunden Respekt vor anderen Verkehrsteilnehmern wohl nicht Teil der Fahrprüfung ist. Konkret: Russland und Deutschland. Nach einem solchen Überholmanöver, welches Dieter Bohlen als ‘leider Nein-Outtake’ klassieren würde, stand der besagte Reisecar ein paar Rastplätze weiter. Also suchte ich mal kurz den Fahrer und wies ihn darauf hin, dass das Besagte nicht gerade erste Sahne war. Er lachte nur und bot mir einen Kaffee an. Leider war er in etwa so kritikressistent wie Christoph Blocher bei seiner “Abwahl” als Bundesrat. Das anschliessende Überholmanöver mit massiv übersetzter Geschwindigkeit bestätigte dies. Eine Rentnerin, die ein Beschwerdebrief schreibt, wegen den heruntergefallenen Jasskarten bei der Busfahrt, wiegt wohl schwerer auf als ein Radfahrer, der wegen einem Überholmanöver in einen Strassengraben ausweichen muss. Daher eine kleine Bitte an alle, welche mit grossen eckigen Gefährten (LKW, Bus, Vans, etc) unterwegs sind: ja, die Fahrzeuge sind gross und unübersichtlich und teilweise sind die Strassen eng. Was aber bitte nie, nie, nie vergessen werden sollte, sind die zwei Luftwirbel, die euch links und rechts neben dem Fahrzeug begleiten. Die kann man zwar nicht sehen, aber sehr kräftig fühlen. So bläst es einen Radfahrer vorne vom Fahrzeug weg, zieht ihn aber hinten zum Fahrzeug hin. Wenn ihr jetzt also (besonders bei Gegenwind) mit ca 70 km/h und mehr einen Fahrradfahrer mit einem Meter Abstand überholt, ist das eine ziemliche Druckwelle, die den Fahrradfahrer ganz schön durchschütteln oder schlimmstenfalls zum Sturz bringen kann. Gerade bei Gegenwind kann euch ein Radfahrer eventuell schlecht hören und ist daher nicht genügend gefasst. Bitte berücksichtigt dies beim Überholen. Danke.

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Mittlerweile war ungefähr Kilometer 75. Die Puste war defintiv draussen. 2 Pässe standen noch vor mir. Da mein Körper nur kleine Wehwechen (Blasen, Verspannungen, etc) und nichts ernsthaftes zu bieten hatte, ging es trotz leeren Tanks weiter. Nun hiess es mich irgendwie zu motivieren. Der Gegenwind, der mich über grosse Strecken begleitete, war diesbezüglich nicht gerade förderlich. Aber den kann man ja ab und zu mal lauthals anfluchen, das tut gut. Und wenn man anschliessend das verwunderte Gesicht eines Fischers am Strassenrand sieht, den man vorher nicht gesehen hat, kann das einem sogar ein “hoppla”-Lächeln ins Gesicht zaubern.

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Kilometer 125. Der erste Pass war geschafft. Bei Trainings bin ich schon oft ans “Limit” gegangen, doch dies war meistens eher, dass ich etwas besonders schnell geschafft hatte, die Muskeln brannten und ich daher ausgepustet war. Situationen, bei welchen man eigentlich gar nicht mehr kann, aber trotzdem weitermacht, habe ich nur über kurze Strecken (~30 km) erlebt. Ich war mittlerweile schon seit ein paar Stunden in diesem Modus unterwegs. Ich finde es hochspannend, zu sehen, wie der Körper einem eigentlich daran hindert, weiterzumachen, aber eigentlich ganz munter weitermacht. Und vor allem, welche Hürden man psychisch antrifft, um den Körper zu überwinden, wie sich die Wahrnehmung der Umgebung verändert und schlussendlich der Körper quasi als kleines perpetuum mobile weiterläuft.

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10 Kilometer vor Schluss war jedoch ein Punkt gekommen, bei welchem ich mich gezwungen habe, nochmals anzuhalten und nicht durchzufahren. Da ich einerseits alleine und andererseits auf öffentlichen Strassen unterwegs bin, gibt es gewisse Spielregeln, welche ich mir selber auferlegt habe, um weder mich noch den Verkehr zu gefährden. Obwohl ich kurz vor dem Ziel stand, brauchte ich eine Pause. Und diese tat gut. Nicht, um die eh nicht vorhandenen Kräfte aufzuladen, sondern um mir selbst aufzuzeigen, dass ich die Situation noch voll im Griff habe und Grenzen erkenne. Und dies obwohl ich seit über 7 Stunden im “Schweizer Fussballnati”-Modus bin. Nach endlos langen 173 km bin ich dann schlussendlich im Hotel angekommen. Nun freue ich mich auf den morgigen letzten Tag des Project 5000. Da werde ich auf 230 Kilometern noch ein wenig gefordert 🙂

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Tag 27: Alta – Storslett

Alta - Storslett

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