Der heutige Tag war der schönste Radmarathon, welcher ich je gefahren bin – und der körperlich Härteste.
Heute morgen wurde ich vom Geräusch von Regentropfen geweckt. Dies ist ein Klang, den ich nicht so mag. Aber das Wetter kann ich nicht ändern und deshalb ging es bei knapp 10 Grad in Regenkleidung los. Entlang des Fjords gings einige Kilometer bis die Strasse giftig in den Himmel stieg. Nach etwas mehr als einer Stunde standen breits 500 Höhenmeter auf dem Display und erst etwas mehr als 20 Kilometer. Ich kam einfach nicht vorwärts. Da ich körperlich nicht mehr ganz frisch war, überlegte ich mir ernsthaft, ob ich kräftemässig so den Tag durchhalten werde.
Durch grosse Täler und vorbei an Seen und Flüssen gings weiter in die Höhe auf eine Hochebene. Was mich da nach dem qualvollen Aufstieg erwartete, trieb mir von Schönheit fast die Tränen in die Augen: eine endlose unberührte Weite der Tundra übersäht mit hunderten Rentieren. Ein Traum. Dies war eine unglaubliche Motivation und so genoss ich die Fahrt durch diese karge, doch wunderschöne Landschaft. Weniger schön war der eisige Wind, der von allen Seiten wehte sowie die beissende Kälte.
Nach der Hochebene folgte eine Tallandschaft, welche mich an die Susten-Region erinnerte. S ging es hoch runter hoch und wieder runter. Die Kräfte wurden ganz schön strapaziert und ich hatte erst gerade die Hälfte geschafft. Da morgen jedoch nur 60 Kilometer auf dem Programm stehen und die Sonne mir eh bis tief in die Nacht Licht spendet, entschied ich mich, die Sache gemütlich anzugehen. Trotzdem überholte ich noch einige Tourenfahrer, was angesichts meines Rennrades und des minimierten Gepäcks auch keine Herausforderung war. Es folgte eine lange Abfahrt bis an die Küsten des Polarmeeres.
Nach einer riesigen Bucht in Alta, einer Tundra-Hochebene und Tälern erwartete mich nun ein riesiges Fjord, bei welchem ich rund 80 Kilometer den Küsten gegen Norden folgte. Und es schien, als hätte das Norwegische Tourismusbüro hier ein wenig “gepusht”, denn auch da hatte es Rentiere ohne Ende. Auf den Felsen entlang der Küste waren riesige Mövenschwärme und ab und zu auch ein paar Kormorane anzutreffen. Im klaren Wasser säumten Algen die Ufer und die Flut wandelte Nebengewässer in richtige Flüsse um. Um dem Kitsch noch richtig eines drauf zu setzen, hatte es auch noch zwei wunderschöne Regenbögen. All dies half, um mich von den mittlerweile müden Beinen und der Temperatur von 8 Grad abzulenken
Und dann folgte eine Premiere: Als Schweizer ist man ja sozusagen ‘Tunnelisiert’. Man ist an Tunnels gewöhnt, diese gibt es bei uns in allen Farben und Formen. Was es aber bei uns nicht gibt, sind Tunnels, welche mehr als 200 Meter unter dem Meer hindurchgehen. Vor allem als Radfahrer ist dies wirklich ein Erlebnis. Und da Kälte bekanntlich sinkt, waren da drin satte 6 Grad. Nach mittlerweile über 8 Stunden setzten mir die Temperaturen langsam zu. Und gegen Kälte hilft bekanntlich Bewegung. Also ging es mit einem kleinen Endspurt nach Honningsvåg, wo mich eine wärmende Dusche und freundliche Zimmermitbewohner erwarteten.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass der Tag extrem abwechslungsreich war, aber durch die chronische Belastung auch sehr hart. Übermorgen geht es die selbe Strecke wieder zurück. Das wird ein richtig heftiger Brocken.
Tag 24: Alta – Honningsvåg