Tour de Suisse Challenge – Prolog

9 Minuten Leiden wie die Profis: Im Prolog kann man sich auf der exakt gleichen Strecke gegen die absoluten Rad-Profis vergleichen. Machen wir doch das!Im Vorfeld erkundete ich bereits die Strecke. Ich kenne jede Kurve und habe mich diese Woche auf das Rennen vorbereitet. Als ich am morgen aufstehe bin ich ein wenig nervös denn meine Erwartungen an meine Leistung sind hoch. Noch vor 7 Uhr fahren wir los. Es regnet und ist mit 14 Grad nicht wirklich warm. Da wir ein wenig früher da sind und die Startnummerabgabe erst später öffnet, fahren wir eine gemütliche Runde auf der Strecke. Es wurde viel gemacht: Banden und Torbogen aufgestellt, Festzelte errichtet, Personal geschult. Nach dieser Runde geht es zurück zum Auto und ich ziehe meinen Rennanzug an. Mittlerweile hat es aufgehört zu regnen, trotzdem ist die Strecke noch nass. Via Startnummernausgabe geht es zur Startrampe. Dort nehme ich einen umfangreichen Starterbeutel in Empfang.

Tour de Suisse Canchellara Challenge

Tour de Suisse Challenge - Starterbeutel

Bereits wenige Minuten nach Rennbeginn ist meine Startzeit. In den bisherigen Zeitfahren hatte ich auf der Startnummer immer Mühe, dass ich mit beiden Pedalen eingeklickt starten kann. Ich hatte stets das Gefühl umzukippen, obwohl man ja von hinten stabilisiert wird. So beschloss ich, “einbeinig” zu starten. 3, 2, 1 LOS! Bilderbuchmässig klicke ich in die Pedalen ein und drücke über 900 Watt.

Tour de Suisse Canchellara Challenge Start

Nach ein paar hundert Metern kommt eine scharfe Linkskurve. Da dort Markierungen am Boden sind, welche bei Regen Spiegelglatt werden können, bremse ich – ein wenig zu viel. Also heisst es erneut beschleunigen. Ich trete was das Zeug hält und schaue auf dem Tacho: über 50 km/h und rund 700 Watt – das stehe ich nicht lange durch. Ich drossle meine Kräfte und versuche mich so aerodynamisch wie möglich zu machen. Nach einer langen Graden geht es kurz aber giftig mit über 10% Neigung nach oben. Meine Strategie dort ist soviel Tempo wie möglich aus der Geraden mitzunehmen. Als ich die Steigung sehe, schaue ich kurz nach unten auf mein Display. Als ich wieder nach oben sehe, bin ich weit von meiner Ideallinie abgekommen. Mit einem Schwenker kann ich mich gerade noch retten, doch ein Grossteil des Tempos ist weg. Die nächsten 23 Sekunden bis nach oben sind pures Leiden. Auf der Seite steht ein kleiner Junge mit einer Schweizerfahne welcher mich wie wild anfeuert. Mit diesem Zusatz-Motivationsschub geht es die letzten Meter nach oben.

Tour de Suisse Canchellara Challenge

Bei der anschliessenden Abfahrt versuche ich mich so klein wie möglich zu machen. Ganz weit vorne erblicke ich den Fahrer, welche 60 Sekunden vor mir gestartet ist – dies motiviert. Vor mir fährt ein Auto auf der Strecke. Er sieht mich jedoch und fährt auf die Seite. Ich überhole ihn und fahre in eine Rechtskurve. Diese nehme ich ein wenig zu schnell und komme der Abschrankung (und dem Mann, der sie noch fertig montiert) extrem nahe. In der Aero-Position geniesse ich die letzten Meter, welche bergab gehen. Nach einer schwierigen und technisch anspruchsvollen Rechtskurve habe ich gleich zu zwei Vorfahrern aufgeschlossen. Mit dem Überholvorgang muss ich aber noch eine weitere Kurve warten, weil zwei Fahrer die Rennstrecke zum Einfahren nutzen. Nach der nächsten Kurve ziehe ich den anderen Teilnehmern vorbei – und gebe Gas. Über eine lange Gerade geht es weiter bevor es auf einen Feldweg geht. Eine Wasserpfütze blockiert die Ideallinie, also fahre ich eine kleinen Umweg.

Tour de Suisse Canchellara Challenge

Von hier aus bis ans Ziel geht es nur noch bergauf. Ich versuche die Kräfte auf die letzten knapp 1500 Meter gleichmässig aufzuteilen, doch diese Schlusspassage hat es in sich. Weit vorne sehe ich das Ziel. Die letzten Sekunden Leiden. Noch 200 Meter. Doch zu früh mobilisiere ich meine letzten Kräfte. 50 Meter vor Schluss ist die Puste draussen, meine Beine wollen nicht mehr, ich rolle durchs Ziel und bin happy, dass ich trotz Muskelkater eine gute Leistung erbringen konnte.

Tour de Suisse Canchellara Challenge

Nach der Ziellinie am Verpflegungsstand höre ich jedoch einige, welche nicht ganz so glücklich sind: Fast auf der ganzen Strecke waren noch die ganzen Aufbauarbeiten für das Profi-Rennen am Nachmittag im Gange. So standen entweder Freiwillige oder WK-Soldaten auf der Strasse und bei einem Torbogen hingen noch Schnüre auf die Strasse. Dies trübte bei ein paar Fahrern im Ziel angesichts der Teilnahmegebühr von 99.- die Freude. Ich persönlich hatte neben dem Aufbaupersonal etwa 7 Fahrer, welche sich während dem Rennen auf der Rennstrecke aufgewärmt haben. Diese haben mich zwar nicht direkt blockiert, jedoch sicherlich abgelenkt. Auch wenn da vielleicht der Fokus auf dem Profi-Rennen liegt, finde ich das Format super, um “mal mit den Grossen mitzuspielen”. So kann nun Kurve für Kuve analysieren, wo Fabian Cancellara die 2 Minuten Vorsprung rausholte 🙂

Als ich erfahre, dass ich in meiner Kategorie mit über 100 Teilnehmern in den Top 10 drin bin, bin ich unglaublich glücklich. Insgesamt fahre ich auf den Rang 23 von über 400 Finishern. So freue ich mich auf den morgigen Tag, an welcher ich an der Tour de Suisse Challenge die Morgarten Challenge unter die Räder nehme.

Disziplin Einzelzeitfahren
Distanz 6.4 km
Offizielle Zeit 00:09:26.0 (42.3 km/h)
Rang Kategorie / von 23 / 418 (6/100)
Rang Overall / von 9 / 107 (8/100)
Kategorie Masters 1
Fahrrad Raijin TT

 

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