Die Tour de Suisse bedeutet Emotionen pur. Als Amateurfahrer dort teilnehmen und ins Ziel zu fahren, ist ein absolut einmaliges Erlebnis.
Wie an den meisten Rennen ging es am morgen früh los. Als Warm-up fuhr ich mit dem Rad gemütlich von Luzern nach Rotkreuz. Das Wetter war gut – schön aber nicht zu warm. Der Petrus hat zwar ein wenig Regen angesagt, doch erst am Nachmittag. Das passt. Nachdem die Startnummer geholt war, besichtigte ich ein wenig das Gelände. Da ich in der Nähe arbeite, war dies mir sehr vertraut. Es war eindrücklich zu sehen, welche Aufwände für die Tour de Suisse gemacht werden. Und als ich die Motorradreihe sah, bekam ich fast ein wenig Gänsehaut vor lauter Vorfreude.
Doch schon bald ging es los. Ran in den richtigen Starterblock mitten ins Fahrergetümmel und los gehts. Und es ging schnell los. Die ersten knapp 8 Kilometer fuhren wir mit einem 49er Schnitt (!). Ist aber in der Gruppe auch nicht sonderlich schwer. Aber es ist schon ziemlich cool, wenn man mal auf der ganzen Strassenbreite einfach voll Karacho durchheizen kann. Wenn man eine Strecke gut kennt, sieht man ab und zu mal “Abkürzungen”, welche man nicht fahren darf – und nun kann man sie.
In Zug ging der Weg schon gemächlich nach oben in Richtung Oberägeri. Das Feld zog sich auseinander und ich merkte, dass ich mit meinem vergleichsweise hohen BMI den Kampf um den Bergpreis doch eher den anderen überlasse. Oben angekommen war ich in der verzwickten Lage, dass ich zwischen zwei Gruppe war. Vor mir war eine Gruppe, die ich ohne Windschatten jedoch nicht einholen konnte und hinter mir war eine Gruppe, die jedoch ein wenig langsamer fuhr. Also liess ich mich zurückfallen – und alle reihten sich hinter mir ein. Als ich dann ein wenig vom Windschatten profitieren wollte, wollte niemand die Führungsarbeit übernehmen. Also blieb ich vorne – wenn auch ein wenig langsamer. Hinten schien im Feld einiges los zu sein. Ab und zu hörte man mal “Pass doch auf” oder “hey”. Und irgendwann kam das Geräusch, vor welchem sich alle Fürchteten: Krachende Velos und schleifende Körper auf dem Boden. Ein kurzer Blick nach Hinten zeigte eine grosse Lücke im Feld, doch musste ich mich auf die Position konzentrieren. Das war knapp… Schon bald ging es auf den “Sattel” (liebe Nicht-Ortskundige, das ist eine geographische Gegebenheit, die so heisst). Noch ein letztes mal beissen…
und ab ging die Post. Mit bis zu 75 km/h ging es hinunter nach Goldau.
Ein wenig erholter in Goldau angekommen ging der Abstieg weiter bis nach Arth. Dort folgte dann ein Teil auf meiner “Hausstrecke”. Ich merkte, dass ich gegenüber von anderen einen klaren Heimvorteil hatte. So nutzte ich gewisse Passagen, wie beispielsweise den Aufstieg nach Immensee oder ein Kreisel in Küssnacht, um ein paar Ränge gut zu machen.
Voller Tempo ging es zurück nach Rotkreuz. Dort gabs eine kleine Zwischenverpflegung (sorry an dieser Stelle an die Frau, die neben dem Auffangnetz für die Bidons stand und die fast meine Flasche abgekriegt hat) und voller Tempo via Honau nach Root. Ehrlich gesagt, kannte ich den Aufstieg von dieser Seite zum Michelskreuz gar nicht – so erwartete mich eine Rampe, die mit über 12% in den Himmel ragte. Die nächsten 4 Kilometer mit einer durchschnittlichen Neigung von 9.3% (!) waren pures Leiden – einerseits körperlich andererseits mental. Der ganze erkämpfte Vorsprung war weg, als die leichteren Fahrer wie Gemsen an mir vorbeizogen. Es war ein bitterer Aufstieg und die Beine fühlten sich langsam leer an. So war ich froh, oben angekommen zu sein. Hier die Ansteigung im der Höhenkarte:
Es folgte eine extrem schnelle Abfahrt. Mit bis zu 81 km/h ging es nach unten. Die Beine hatten jedoch keine Zeit zum erholen, denn ich wollte so schnell wie möglich ins Ziel kommen. In Sichtweite war eine 2er-Gruppe, welche jeweils bergauf ein wenig ihre Mühe hatte. So konnte ich mich langsam an sie herankämpfen und mich daran setzen. Ich merkte, dass einer der Beiden Mühe hatte, das Tempo zu halten. Also beschloss ich mit dem Anderen zur Gruppe weiter vorne aufzuschliessen. Wir kämpften uns gemeinsam durch den Wind und die Abwechslungsarbeit gelang sehr gut. Doch waren die Beine nicht mehr ganz frisch und wir mussten eingestehen, dass die andere Gruppe wohl nicht einzuholen ist. Wir hatten den Dritten in der Gruppe verloren und so pushten wir uns Gegenseitig Richtung Ziellinie. Als “Dankeschön” für das Pushen durfte ich dann als Erster auf die Zielgerade einbiegen. Ich mobilisierte meine letzten Kräfte, doch die Gerade war lang – extrem lang. Rund 25 Meter vor der Ziellinie konnte ich schlicht nicht mehr und rollte komplett erschöpft ins Ziel.
Von 540 gestarteten Fahrern konnte ich mich auf dem guten 111. Rang platzieren. Über 160 Fahrer schafften es gar nicht erst in der vorgegebenen ins Ziel zu kommen. So war ich doch ein wenig stolz, dass ich mein persönliches Ziel erreicht hatte und machte mich auf den Nach-Hause-Weg – selbstverständlich mit dem Fahrrad.
DISZIPLIN | MASSENSTART |
DISTANZ | 81 km / 956 hm |
OFFIZIELLE ZEIT | 2:21:05,9 (34.44 km/h) |
RANG KATEGORIE / VON | 22 /49 (45 /100) |
RANG OVERALL / VON | 111/540 (21 /100) |
KATEGORIE | Hauptklasse Männer |